#Immobilien — 15.10.2020

Covid-19: Wie sieht die langfristige Zukunft des Immobilienmarktes aus?

Florent Bronès & Maxime Jouret

Welche Auswirkungen haben die Covid-19-Krise und die globale Rezession auf die Immobilienmärkte?


In einer Welt im Wandel während und nach der Corona-Krise, richten Florent Bronès & Maxime Jouret den Blick auf die unterschiedlichen Entwicklungen im Immobilienmarkt und die Auswirkungen auf Investitionen in diesem Sektor.

Die derzeitige Pandemie mit ihren wirtschaftlichen und sozialen Folgen wird sich zweifellos auf die Anlageklasse der Immobilien auswirken. Dieser Korrekturzyklus bei Immobilien dürfte jedoch aufgrund verschiedener Konjunkturmaßnahmen und niedriger langfristiger Zinssätze kurz sein.

Ein weiterer Faktor, der dafür spricht, ist, dass es vor Beginn der Krise keine Exzesse in der Branche gab, beispielsweise in Bezug auf den Verschuldungsgrad oder einen Angebotsüberhang. Strukturelle Veränderungen, einschließlich Telearbeit und E-Commerce, die sich aufgrund der Gesundheitskrise beschleunigt haben, werden auch einige Immobiliensegmente wie Büro- und Einzelhandelsimmobilien verändern. Andere wie z.B. Logistik und Wohnen werden sicherlich davon profitieren.

Der Immobiliensektor steht vor einer globalen Rezession

Die Covid-19-Pandemie und die darauffolgenden weit verbreiteten Lockdownmaßnahmen führten zu einer außergewöhnlichen globalen Rezession. Diese begann äußerst abrupt, so dass die Volkswirtschaften weltweit praktisch über Nacht plötzlich zum Stillstand kamen. Das Ausmaß der Unterbrechung war massiv, da einige Dienstleistungssektoren wie Hotels, Restaurants und Reisen, die in früheren Rezessionen eine eher ausgleichende Rolle gespielt hatten, diesmal den Rückgang des wirtschaftlichen Lebens verstärkten, indem sie (fast) komplett zum Stillstand kamen.

Mit Blick auf die Zukunft ist unser Szenario eine U-förmige Erholung

Wir haben gesehen, dass diese Erholung eintritt, sobald die Lockdownmaßnahmen aufgehoben wurden und gehen davon aus, dass sie sich in der zweiten Hälfte des Jahres 2020 verstärken wird. Verlauf und Geschwindigkeit variieren je nach Land, wobei sich Asien in einem fortgeschrittenen Stadium der Gesundheitskrise und Erholung befindet. Wir rechnen damit, dass sich die Erholung im Jahr 2021 dank der außergewöhnlichen Konjunkturmaßnahmen der Zentralbanken und Regierungen fortsetzen wird. Noch nie wurden wirtschaftspolitische Instrumente in Friedenszeiten weltweit so massiv eingesetzt.

Unsere Annahmen für die Entwicklung der Pandemie sind moderat

Wir sehen keine massive zweite Welle voraus, da wir der Ansicht sind, dass die Gesundheitsbehörden jetzt wissen, wie sie mit lokalen Infektionsclustern umgehen können, ohne weitere weitverbreitete Lockdownmaßnahmen zu verhängen. Wir sehen auch keinen voll wirksamen Impfstoff bzw. ein Medikament in benötigter Menge vor 2021/2022. Mit anderen Worten, wir müssen weiterhin mit Covid-19 leben.

Der Immobiliensektor wird gegen diese Situation nicht immun sein. Darüber hinaus haben frühere Rezessionen immer Auswirkungen auf die Immobilien-Anlageklasse gehabt. Ein Anstieg der Arbeitslosen- und Unternehmensausfallquoten wird einen großen Einfluss auf die Höhe der Mieten in Wohn- und Gewerbeimmobilien haben. Infolgedessen dürften die Mietrenditen mechanisch sinken. Die Auswirkungen auf die Bewertung von Immobilienvermögen sollten negativ sein, es ist jedoch schwierig, sie mit Sicherheit zu bewerten, da sie von anderen Faktoren abhängen.

Ein kurzer Immobilienzyklus

In den letzten 40 Jahren gab es weltweit vier Bärenzyklen für Immobilien:

  • ·       Zwei lange mehrjährige Zyklen (der erste Anfang der 90er Jahre und der zweite nach der                großen Finanzkrise 2008-2009).
  • ·       Zwei kurze Zyklen (Asienkrise von 1998 und Platzen der Technologieblase im Jahr 2001).

Die Schwere der gegenwärtigen Krise dürfte auf eine harte Rezession bei Immobilien hindeuten. Wir müssen den Anstieg der Arbeitslosigkeit und das Ausmaß des Anstiegs der Ausfallraten überwachen, zwei Faktoren, die durch die reflationäre Wirtschaftspolitik so weit wie möglich begrenzt werden sollen. Wir glauben jedoch, dass dieser Immobilienzyklus aus zwei Hauptgründen kurz sein wird:

Erstens sind (und bleiben) die Zinssätze sehr niedrig. Interventionen der Zentralbanken - über Anleihekäufe auf den Märkten - in Verbindung mit dem gegenwärtigen deflationären Druck lassen darauf schließen, dass die Kapitalkosten niedrig bleiben werden. Die Realzinsen sind auch bei langen Laufzeiten negativ. Die Immobilienfinanzierungsraten sind mit 25 oder 30 Jahren je nach Land auf einem historischen Tiefstand. Dies ist offensichtlich ein sehr starker unterstützender Faktor für die Immobilien-Anlageklasse.

Zweitens gehen langen Zyklen normalerweise Exzesse voraus, die für Immobilienmärkte spezifisch sind. In den letzten Jahren gab es jedoch keine Exzesse. In der Tat war das neue Angebot an Immobilienvermögen nicht dynamisch und die Behörden haben das Wachstum gebremst (z.B. hat Frankreich 2019 die Anzahl der Baugenehmigungen gesenkt). Darüber hinaus waren die Leerstandsquoten vor der Covid-19-Krise im Allgemeinen niedrig, insbesondere im Bürobereich. Schließlich liegen die Verschuldungsraten jetzt nahe am historischen Durchschnitt. Zur Erinnerung: Die Hebel in den Finanzierungen waren Anfang der neunziger Jahre und 2007 vor der großen Finanzkrise sehr hoch. Sie waren in beiden Fällen eine der Hauptursachen für die Schwere des Immobilienzyklus.

Die Covid-19-Krise wird die bereits laufenden strukturellen Veränderungen verstärken

Abgesehen von den kurzfristigen negativen Auswirkungen dieser Rezession werden einige laufende Veränderungen nachhaltig sein und erhebliche Auswirkungen auf verschiedene Segmente des Immobilienmarktes haben. Diese Trends sind jedoch nicht gleichmäßig verteilt. Der Markt ist in letzter Zeit viel granularer geworden. Wohnen, Einzelhandel, Logistik, Gastgewerbe und Büros haben sich in den letzten Monaten unterschiedlich entwickelt. Die Ursprünge dieses Phänomens sind älter als Covid-19, aber die Pandemie hat diese Entkoppelung stark verstärkt.

Erstens hat sich das Wohnsegment im aktuellen Kontext als bemerkenswert widerstandsfähig erwiesen. Langfristig wird diese Sub-Assetklasse angesichts der heutigen demografischen Entwicklung zweifellos von günstigen strukturellen Faktoren profitieren. In gewisser Weise eine Art sicherer Hafen.

Im Einzelhandel ist die Situation kurzfristig, aber auch langfristig viel schwieriger. Lockdown- und soziale Distanzierungsmaßnahmen haben - nicht überraschend - zu verlassenen Geschäften und Einkaufszentren geführt. Die Umwälzung in der Einzelhandelswelt steht noch am Anfang. Dies ist wahrscheinlich das einzige Immobiliensegment, in dem wir sehr vorsichtig sind.

In der Welt der Logistik wurde (und wird) dieses Segment von einem Boom des E-Commerce in allen Regionen der Welt angetrieben. Logistik sollte daher in Zukunft eines der lebhaftesten Segmente im Immobilienbereich sein.

Das Gastgewerbesegment war neben dem Einzelhandel eines der am stärksten vom Coronavirus betroffenen. Trotzdem bleiben wir zuversichtlich und positiv in Bezug auf die langfristigen Trends in diesem Segment und die Fortsetzung der Trends im Freizeitbereich. Es wird jedoch einige Zeit dauern, bis wir zu einer unserer Ansicht nach „normalen“ Situation zurückkehren, wahrscheinlich nicht vor 2022 oder sogar 2023.

In Bezug auf Büros ist die Situation nicht einfach zu analysieren. Während die zunehmende Heimarbeit offensichtlich zu einer Reduzierung der erforderlichen Büroflächen führt, werden andererseits qualitativ hochwertigere Flächen mit intelligenteren Ausstattungen und verbesserter Kommunikationstechnologie benötigt. Mit anderen Worten, viele Büros müssen umgebaut, renoviert oder sogar umstrukturiert werden. Diese Herausforderungen bringen Chancen mit sich.

Ein weiterer wichtiger Trend bei allen Arten von Immobilien werden die Bemühungen von Behörden, Vermietern und Mietern sein, die erforderlichen Umweltstandards für zu bauende oder zu renovierende Gebäude zu erfüllen. Dies bedeutet mehr Isolierung und mehr Technologie in zukünftigen Konstruktionen.

Welche Position sollten Anleger einnehmen?

Wir halten an unserer positiven Überzeugung von Immobilien fest. Wir haben zwar Grund, kurzfristig Vorsicht walten zu lassen, sind jedoch der Ansicht, dass Immobilien langfristig von Konjunkturmaßnahmen und soliden Fundamentaldaten profitieren werden, die zweifellos einen Wert für die Anleger schaffen.

Aufgrund der erwarteten Streuung der Renditen über die verschiedenen Immobiliensegmente halten wir es für wichtig, eine diversifizierte Anlagestrategie mit einem langfristigen Ansatz zu verfolgen. Es ist besonders wichtig, mit den erfahrensten Immobilienverwaltern zusammenzuarbeiten, um auf deren Fachwissen zurückzugreifen und über Investmentfonds das bestmögliche Engagement in dieser Anlageklasse zu erhalten.

Immobilien spielen eine zentrale Rolle bei der Asset Allocation von vermögenden Privatkunden und werden es auch bleiben. Gern unterstützen wir Sie bei der Planung und Umsetzung!

Florent Bronès

Chief Investment Officer
BNP Paribas Wealth Management

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Maxime Jouret

Head Of Global Real Estate
BNP Paribas Wealth Management

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